Donnerstag, 11. August 2011

Die Königsetappe

Mit mittlerweile einer Woche Abstand kann ich hoffentlich mit der notwendigen Objektivität von den letzten Kilometern hoch zum Nordkap erzaehlen, ohne unnötige Dramatik. Vorweg muss ich allerdings sagen, dass diese letzte Etappe die härteste sportliche Aufgabe war, die ich je zu meistern hatte und ich kann kaum beschreiben, wie erleichtert ich war, das Ziel endlich zu erreichen.

Nach meinem Ruhetag in Tromsø, an dem ich noch einmal die notwendigen Kräfte fuer die letzten Etappen sammeln konnte, hatte ich zunächst grosses Glueck mit dem Wetter. Drei Tage lang schien die Sonne und es zeigte sich kaum eine Wolke am Himmel. Die Temperaturen stiegen auf fast 20 Grad (und das weit nördlich des Polarkreises!).

So erreichte ich die Stadt Alta am Dienstagabend der vergangenen Woche. Hier entdeckte ich das erste Strassenschild, das eine Kilometerangabe zum Nordkap zeigte: 240 km. Eine zusätzliche Motivation fuer mich und es war mir klar, dass es bei weiterhin guten Bedingungen möglich war, das Kap in zwei Tagen zu erreichen. Zusammen mit David, der bereits auf dem Rueckweg vom Nordkap durch Alta kam, und den ich auf dem Campingplatz traf, bereitete ich mich seelisch, mit einer XL-Kebab-Pizza und meinem ersten Bier seit mehreren Wochen auf das "grosse Finale" vor.


Rentier auf der Strasse am Langfjord
Ich hatte vor, mich am kommenden Tag in eine möglichst guenstige Ausgangsposition fuer die letzte Etappe zu bringen, von der ich aus vielen Erfahrungsberichten wusste, dass sie von ihrem Schwierigkeitsgrad her alles uebertrifft, was man zuvor zu absolvieren hatte. Das Wetter verschlechterte sich leicht, doch an diesem Tag hatte ich noch Glueck mit dem Wind, der mich geradezu ueber die Hochebenen zwischen Alta und Olderfjord und danach entlang der Kueste in Richtung Nordosten pustete, so dass ich an diesem Tag mehr als 150 Kilometer schaffte und die Insel Repvåg erreichte, auf der ich im Windschutz eines Hauses mein Zelt aufstellen konnte. Den Ort teilte ich mir mit einer Herde Rentiere, die nachts neugierig mein Zelt und mein Fahrrad begutachteten.

Die Wettervorhersage fuer den kommenden Tag verhiess leider nichts Gutes. Der Wind sollte stärker werden und in Richtung Nord drehen, also genau die falsche Richtung fuer mich. Die Temperaturen fielen zudem auf 4 bis 6 Grad. Da allerdings auch fuer die kommenden Tage keine Besserung in Sicht war, machte ich mich am Donnerstagmorgen auf den Weg. Ich konzentrierte mich drauf, mir nicht unnötig vom Gegenwind Kräfte rauben zu lassen und strampelte gleichmässig, z.T. im ersten und zweiten Gang gegen die heftigen Böen an. Problematisch waren vor allem die Luftsoge, die von LKWs und Reisebussen beim Ueberholen erzeugt wurden, und mich jedes Mal fast in die Leitplanken drueckten.

Nach ca. drei Stunden erreichte ich den beruechtigten "Nordkapptunnelen", der das Festland mit der Insel Magerøya verbindet, an deren nördlicher Spitze das Nordkap liegt. Dieser Tunnel war nicht nur der längste, den ich auf meiner Tour zu durchfahren hatte (6,9 Kilometer), sonder auch der mit dem unangenehmsten Höhenprofil: Die ersten drei Kilometer geht es mit 9 % Gefälle bergab, auf den letzten drei Kilometern mit 10 % Steigung von 221 Metern unter dem Meeresspiegel wieder steil bergauf. Das einzig Gute an diesem Tunnel war die Tatsache, dass es wenigstens mal fuer ein paar Kilometer keinen Gegenwind gab.


Fast da!
 Völlig verausgabt erreichte ich nach 50 Kilometern das Städtchen Honningsvåg, die letzte Siedlung vor dem Nordkap. Auf den nächsten 30 Kilometern, auch das wusste ich aus diversen Erfahrungsberichten, erwarteten mich zwei knackige Steigungen jeweils auf 300 Höhenmeter, wieder mit bis zu 9 %. Mir wurde klar, dass ich das an diesem Tag und unter diesen (Wind-)Bedingungen nicht schaffen konnte. Da ich allerdings auch keine Lust hatte, so kurz vor dem Ziel noch einen weiteren Zwischenstopp einzulegen, entschloss ich mich zu einem Kompromiss, hielt ein Auto an und bat den Fahrer, mein Gepäck im Wagen mit zum Nordkap zu nehmen. Ohne Gepäck rechnete ich mir aus, das Kap noch am fruehen Abend erreichen zu können.

Zum Wind kamen starker Nebel und Regen hinzu und es muss fuer viele Autofahrer ein kurioser Anblick gewesen sein, einen Fahrradfahrer auf der Strecke zu sehen, denn viele fotografierten mich aus dem fahrenden Wagen oder hielten sogar an, um Bilder zu schiessen. Ich war inzwischen geradezu euphorisch, denn nach der ersten der zwei Steigungen wusste ich sicher, dass ich das Nordkap nach 33 Tagen heute tatsächlich erreichen sollte.

Fast benommen und völlig verfroren stand ich nach drei weiteren Stunden tatsächlich auf dem 300 Meter ueber das Meer aufragenden Nordkapfelsen und nach einer ersten heissen Tasse Tee konnte ich damit beginnen, mich ueber den Erfolg meiner Tour zu freuen. 3.389 Kilometer hatte ich an 30 Fahrtagen von Hamburg aus zurueckgelegt und dafuer knapp 186 Stunden auf dem Fahrrad verbracht.

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